Aus dem Kachelofen bullert Gemütlichkeit
Tradition, die wieder auflebt: Fans und Schornsteinfeger schwören wieder auf eine Wärmequelle, deren Betrieb heute nachhaltiger ist als ihr Ruf
An der Stargarder Straße schieben Arbeiter volle Schubkarren mit den Resten alter Kachelöfen auf die Straße. In Prenzlauer Berg, wo noch vor 35 Jahren fast überall mit Kohle geheizt wurde, ist ein Haus mit Ofenheizung heute eine Seltenheit. „Auch die alten Kochmaschinen wurden allesamt abgerissen“, ist von einem Anwohner zu erfahren. Die einen bedauern diese Modernisierung, die die Spuren traditioneller Berliner Wohnkultur beseitigt, andere freuen sich über eine unkomplizierte Zentralheizung. Auch wenn die Nebenkosten steigen und steigen.
Und dann gibt es da noch die letzten Ofen-Mohikaner, die die alten Wärmespender eben nicht rausreißen, sondern bewusst stehen lassen. An Orten wie dem Herman Schulz in Friedrichshain – eines der letzten Cafés, die in Berlin im Winter jeden Morgen die Kachelöfen anschmeißen.
„Wir haben das Café vor elf Jahren übernommen, und unser lieber Vermieter fragte uns, ob wir die beiden Kachelöfen behalten wollen“, berichtet ein Kollektivmitglied des Cafés. Das Team war sofort Feuer und Flamme für die alten Öfen, die auch von den Gästen geschätzt werden. „Wir haben neben dem Kachelofen ein gemütliches Sofa stehen, und dieser Platz ist im Winter immer sofort besetzt, manchmal auch von Liebespärchen“, erzählt der Mitarbeiter. Beheizt werden die beiden Kachelöfen mit Kohlebriketts. Holzbriketts würden den Ofen durch die starke Hitze beschädigen.
Das Heizen mit Kohle bedeutet für sie natürlich auch, jeden Tag um 8 Uhr mit dem Heizen zu beginnen, Kohlen aus dem Keller zu schleppen und den ganzen Tag nachzuheizen. Die Gäste, so heißt es, freuen sich immer wieder sehr über die Öfen und sind teilweise erstaunt darüber, dass hier nur mit ihnen geheizt wird. Die Miete sei übrigens wegen der altmodischen Heizung nicht besonders günstig, sondern bewege sich auf normalem Friedrichshainer Niveau.
Ein überzeugter Kachelofen-Fan ist auch der Musiker Guido Berlino aus Schöneberg. Dass er immer noch 260 Euro kalt für seine 50-Quadratmeter-Wohnung zahlt, wagt er fast nicht mehr zu erzählen, denn im Berlin des Jahres 2024 sind dies antiquierte Preise.
„Die Heizkosten bei mir betragen pro Saison rund 80 Euro“, sagt er. Diesen Betrag gibt er für Briketts aus, die er sich in den Keller liefern lässt. Ein paar Kohlehändler gibt es in Berlin ja noch.
„Ich bin im Jahr 2008 in diese Wohnung eingezogen, und damals wurde ich mit dem Vermieter einig, dass der Badeofen im Badezimmer ausgetauscht wird und ich stattdessen eine elektrische Therme bekomme.“ Jedes Mal den Badeofen anzuschmeißen, wenn man duschen oder baden will, das war dann doch zu viel.
Mit dem Kachelofen, so schätzt Berlino, habe er am Tag rund zehn Minuten Arbeit – im Winter. Morgens wird er mit Anzünder und Anmachholz angefeuert, „und dann hält er die Wärme für rund zehn Stunden“, sagt der Musiker. Die Wärme empfindet er als sehr angenehm, wobei die letzten Winter so mild waren, dass er nur „auf Sparflamme“ heizen musste. Wie viele Kachelöfen hat der historische Ofen oben ein Fach, in dem man zum Beispiel Essen oder Getränke warm halten kann.
Das morgendliche Ritual des Ofenanzündens gefalle ihm, und die Bedienung der Ofenheizung gebe dem Tag eine Struktur, fügt Berlino an. Nur die Staubentwicklung, wenn die Asche ausgeleert werden muss, sei lästig.
Im Hinterhaus des Gründerzeitbaus, in dem der Musiker wohnt, gibt es noch mehrere Wohnungen mit Ofenheizung. Doch nebenan wurde eine 35-Quadratmeter-Wohnung gerade saniert. Diese Wohnung komme jetzt für 700 Euro kalt auf den Markt, erzählt Berlino. „Man kann sicher sein, dass sich trotzdem schnell Mieter finden.“
In Küche und Bad hat er für kalte Wintertage elektrische Heizungen eingebaut. Doch auch seine beiden Kachelöfen bleiben ihm erhalten. Laut Bundesimmissionsschutzverordnung müssen Öfen, die älter als 30 Jahre sind, entweder stillgelegt oder mit einem Filter versehen werden. Von dieser Regelung ausgenommen sind aber historische Öfen, die vor 1950 hergestellt wurden, außerdem offene Kamine und Kochherde.
Experten sagen heute, dass altmodische Kachelöfen weitaus sauberer sind als die modernen Konstruktionen aus Metall mit Sichtfenster – weil sie als geschlossene Konstruktion weniger Schadstoffe ausstoßen. Auch sei ihre Wärmeausbeute weit höher, da Kachelöfen lange Wärme speichern.
Die verbesserte Wärmedämmung von Hauswänden und die modernen Fenster führen dazu, dass ein Kachelofen heute nicht nur wie früher ein Zimmer, sondern gleich mehrere Räume wärmen kann.
Die sich ausbreitende Strahlenwärme ähnelt jener der Sonne. Wärme strahlt vom Ofen aus einer Ecke in den Raum, was von den Meisten als angenehm empfunden wird. Ein Kachelofen kann auch für Allergiker interessant sein. Denn Zentralheizungen sind fast immer unter dem Fenster angebracht und mischen Frischluft mit Wärme, sodass eher Verwirbelungen mit Blütenpollen entstehen.
Antike Kachelöfen, mit Lehm und Schamott „gesetzt“, wie es in der Fachsprache heißt, sind wegen ihrer handgearbeiteten Kacheln gleichzeitig eine Zierde für jedes Zimmer. Es gibt sie im Gründerzeitstil, von Historismus über Jugendstil bis Art déco. In verschiedenen Regionen gestalteten Künstler verschiedene Kacheldekore wie Pilzkacheln, Nischenkacheln, Gesims- oder Blattkacheln.
Früher diente der Kachelofen auch zum Trocknen von Wäsche im Winter, im Wärmefach wurden Speisen warm gehalten oder Kirschkernkissen aufgewärmt. Manche Kachelöfen hatten sogar eine Backröhre, in der man Brot backen konnte. An fast allen Kachelöfen gab es eine Ofenbank, in einigen Regionen Deutschlands „Kunst“ genannt, die von der Abluft erwärmt wurde und an frostigen Wintertagen ein beliebter Sitzplatz war.
Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger Alain Rappsilber aus Berlin hat in seinem Revier in Kreuzberg noch ganze drei Ofenheizungshäuser, die er reinigen muss. „Jedoch stehen in vielen Wohnungen noch alte Kachelöfen, die nicht mehr benutzt werden“, erzählt Rappsilber. Man habe sie in West-Berliner Mauerzeiten nicht entfernt, weil man in Notfällen auf Nummer sicher gehen wollte.
Bei Stromausfällen dienen diese Öfen auch heute noch dazu, den Ausfall der regulären Heizung aufzufangen. „Abgesehen davon“, erklärt Rappsilber, „haben Kachelöfen zu Unrecht den Ruf, Feinstaubschleudern zu sein.“
Im Vergleich zur Fernwärme, die Rappsilber zu den am wenigsten umweltfreundlichen Heizsystemen zählt, habe der Kachelofen eine viel höhere Energieausbeute. Dazu habe sich die Qualität der Kohle in den vergangenen 20 Jahren verbessert, sodass Verbrennungsrückstände kaum noch anfallen.
„Auch die Leute wissen heute besser Bescheid, wie man Kachelöfen richtig beheizt“, sagt Rappsilber. Habe er früher bei einer Kehrung 30 oder 40 Kilogramm Ruß herausgekehrt, seien es heute meist unter zehn Kilogramm. Der Schornsteinfeger gibt zu bedenken, dass diese Öfen aus einem ganz einfachen Grund sparsamer seien als die Zentralheizung. „Den Ofen mit Kohle oder Holz anzufeuern, macht Arbeit. Und einen Ofen bei nur leicht kühler Witterung anzuschmeißen, überlegt der Nutzer sich dann doch reiflicher, als eben mal den Regler der Zentralheizung hochzustellen.“
Was umweltschädlich sei und auch ineffektiv, sei die Verbrennung von schlecht gelagertem, feuchtem Holz. Brennholz sollte am besten zwei Jahre lang trocken gelagert werden, ehe es in den Kachelofen oder Kamin wandert.
In Eigentumswohnungen lassen sich die alten Kachelöfen aus den 40er- oder 50er-Jahren modern umbauen, indem man alte Feuerraumtüren ersetzt durch eine Glasscheibe und so gleich ein Kaminfeuer hat. Wer heute einen Kachelofen in der Wohnung einbauen möchte, muss mit Kosten um 5000 Euro rechnen. Dazu müssen ein Ofensockel gemauert, Rauchrohre verlegt und schließlich der Kachelofen mit Schamotteplatten gesetzt werden. Es gibt in Deutschland auch noch Firmen, die individuell geplante Stilöfen mit historischen Ofenkacheln anfertigen, diese haben selbstverständlich moderne Heiztechnik im Inneren und auf Wunsch auch ein Ofenfenster, durch das man die Flammen beobachten kann.
Wer sich dem Thema Kachelofen aus historischer Sicht nähern will, sollte das Ofenmuseum in Velten bei Berlin besuchen. Das Ofen- und Keramikmuseum Hedwig Bollhagen, so der offizielle Name, ist das älteste und bedeutendste Ofenmuseum Deutschlands.
Es ist untergebracht in der denkmalgeschützten Ofenfabrik Schmidt & Lehmann. Hier erhält man Einblicke in die Keramikgeschichte Brandenburgs sowie Veltens weltweiten Ruhm, was Kachelöfen betrifft. Die denkmalgeschützten Maschinen werden derzeit als musealer Erlebnisort reaktiviert.
publiziert in: Berliner Kurier, 05. Februar 2024